Intonation, Reiner JankeAuszug aus der Festschrift zur Weihe der Orgel in der kath. Universitätskirche in Wien, erbaut von Freiburger Orgelbau Hartwig Späth 2004, III/41 Der Intonateur zu seiner Arbeit Intonation - was ist das? Die Intonation ist die klangliche Gestaltung
der Orgelpfeifen. Dabei wird der Bereich des Labiums (Gesicht der Pfeife) mit
Spezialwerkzeugen bearbeitet, um die Pfeife in Klangfarbe und Lautstärke zu
verändern und ihr einen klaren und vollen Ton abzugewinnen, den sie nach der
Herstellung noch nicht gibt. Außerdem müssen alle Register (Pfeifenreihen einer
Bauform) in sich wie auch zueinander in Klangcharakter und Lautstärke ausgeglichen
und gestimmt werden. Der Intonateur bezieht den Stil der Orgel und die
Raumakustik in seine Arbeit ein. Neben der Intonation wird der Klang einer
Orgel noch durch die Disposition (Zusammenstellung der Register) und die
Mensuren (Verhältnis von Durchmesser zu Länge) wesentlich bestimmt. Die
Intonation hat jedoch den größten Einfluß auf den Klang. Das Intonieren ist sehr gut mit der
Stimmbildung eines Sängers zu vergleichen. In beiden Fällen ist es wichtig, daß
alle an der Klangentwicklung beteiligten Teile optimal aufeinander abgestimmt
und weit geöffnet sind. Beim Sänger ist dies der Rachenbereich und bei der
Pfeife der Bereich um das Labium (das Loch, an dem der Pfeifenton entsteht).
Die Legierung (Mischungsverhältnis von Zinn und Blei), die Bearbeitung und das
Alter einer Pfeife beeinflussen den Klang dagegen fast nicht. Es schwingt ja
kein Material wie bei einer Geige, sondern Luft, eine Art
"Luftsaite", die auch Luftblatt genannt wird. Je nachdem, wie dieses
Luftblatt beschaffen ist, das um die Kante des Oberlabiums schwingt, ändert
sich die Tonqualität einer Pfeife. Im Laufe der Orgelbaugeschichte haben sich
viele Intonationstechniken entwickelt, mit denen das Luftblatt in seiner
Beschaffenheit verändert wird. Von 55 möglichen Parametern, die den Klang einer
Pfeife beeinflussen können, haben die Höhe des Aufschnitts (der Schlitz im
"Gesicht" der Pfeife), die Weite der Kernspalte (die Spalte, aus der
die Luft ausströmt, die die Pfeife zum Klingen bringt) und Kernstiche (das sind
Kerben, die in Richtung der Luftströmung in eine oder beide Kanten des
Luftspaltes eingedrückt werden) den größten Einfluß auf den Klang. Zur Orgel in der Jesuitenkirche „Bei dieser Orgel ist alles anders.” Diesen
Ausspruch habe ich unzählige Male gemacht, wenn von „der Orgel in Wien” die
Rede war. Anfänglich sah es so aus als würde auch dieses Instrument dem Konzept
einer französisch geprägten Universalorgel folgen. Ein barocker Kern mit
romantischen Ergänzungen oder umgekehrt. Aber dann kam eine dreitägige
Studienfahrt mit allen musikalisch an dem Projekt Beteiligten zur
Cvaillé-Coll-Orgel, St. François in Lyon. Dieses Instrument ist ähnlich groß
wie die Orgel hier in der Jesuitenkirche, und auch die Akustischen Verhältnisse
sind vergleichbar. Schon bald war allen Beteiligten klar, dass diese
Klangestalt Vorbild für die neue Orgel sein sollte. Was ist das Besondere am Cavaillé-Collschen
Klang? Zunächst ist es natürlich die Intensität der überblasenden Flöten mit
denen sich dieser Orgelbauer besonders profiliert hat. Es ist aber auch die
Homogenität des Prinzipalchores und das singen der Streicher welches das
Labialwerk auszeichnet. Und nicht zu letzt sind es natürlich die, besonders in
der tiefen Lage, enorm kraftvollen Zungen die meist den Gesamtklang dominieren
und dennoch im Diskant mit dem Labialwerk nahtlos verschmelzen. Um solch eine Klanggestalt zu erzielen reicht
es nicht aus, Mensuren zu kopieren. Man muss das System was dahintersteckt
verstehen, sonst kann es nicht auf eine veränderte Situation angewendet werden.
Auch ist die Mensur nur ein kleiner Teil der Klanggestaltung. In Lyon hatten
wir das Glück, an sehr detaillierte Unterlagen über das gesamte Pfeifenwerk zu
gelangen das M. Cheron Jahre vorher mit zahlreichen Parametern vermessen hatte.
Auch Videoaufnahmen und viel persönliche Notizen lieferten eine gute
Datenbasis. Daraus lässt sich nach sorgfältigem Studium dann gut die
Werkstatttradition des Hauses erkennen. Dabei kriecht man sozusagen in die
Orgel in jedes Detail hinein, um die vielen Parameter zu verstehen. Dies
gelingt allerdings nur, wenn bei Restaurierungen und Neubauten ähnlicher
Instrumente vorher schon viel Erfahrung mit den entscheidenden Klangparametern
der Romantik gesammelt wurde. Bei romantischer Intonation muss der Klang
viel mehr vom Schreibtisch her geplant werden als bei barocker Intonation, denn
es müssen etliche Parameter vorher in Zahlen festgelegt werden. Sehr
entscheidend für die gute Klangverschmelzung bei Orgeln dieses Stils sind
Stimmeinrichtungen die als Expression bezeichnet werden. Dabei handelt es sich
um Stimmschlitze die meist einen Durchmesser unterhalb der Pfeifenmündung
beginnen. Je nach Größe und Position filtern sie bestimmte Obertöne und
besonders Ansprachegeräusche aus dem Gesamtklang einer Pfeife heraus.
Zusätzlich verstärken sie die mittleren Obertöne und geben dem Ton dadurch
Kraft und einen besonderen Ausdruck (Expression). Hier ist jetzt ein Instrument entstanden, das
keine Kopie sein will. Es soll aber stark an die Klanggestalt der Instrumente
Cavaillé-Colls erinnern. Es ist eine Interpretation für diese Kirche und die
Menschen unserer Zeit. Vielen Besuchern unserer Werkstatt habe ich es so
erklärt: „Ich habe diese Orgel so intoniert, als wäre ich bei Cavaillé-Coll
angestellt.“ Ich wünsche der Gemeinde und allen Zuhörern
viel Freude an der Klangwelt dieser Orgel. Reiner Janke, Intonateur
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