Intonation, Reiner JankeAuszug aus der Festschrift zur Weihe der Orgel in der kath. St. Konradskirche in Aschaffenburg Strietwald, erbaut von Freiburger Orgelbau Hartwig Späth 2007, II/25 Der Intonateur zu seiner Arbeit Intonation - was
ist das? Die Intonation ist die klangliche Gestaltung der Orgelpfeifen. Dabei wird
der Bereich des Labiums (Gesicht der Pfeife) mit Spezialwerkzeugen bearbeitet,
um die Pfeife in Klangfarbe und Lautstärke zu verändern und ihr einen klaren
und vollen Ton abzugewinnen. Diesen gibt sie nach der Herstellung des Rohlings
noch nicht. Außerdem müssen alle Register (Pfeifenreihen einer Bauform) in sich
wie auch zueinander in Klangcharakter und Lautstärke ausgeglichen und gestimmt
werden. Der Intonateur bezieht den Stil der Orgel und die Raumakustik in seine
Arbeit ein. Neben der Intonation wird der Klang einer Orgel noch durch die
Disposition (Zusammenstellung der Register) und die Mensuren (Verhältnis von
Durchmesser zu Länge) wesentlich bestimmt. Die Intonation hat jedoch den
größten Einfluss auf den Klang. Das Intonieren ist sehr gut mit der Stimmbildung eines Sängers zu
vergleichen. In beiden Fällen ist es wichtig, dass alle an der Klangentwicklung
beteiligten Teile optimal aufeinander abgestimmt und weit geöffnet sind. Beim
Sänger ist dies der Rachenbereich und bei der Pfeife der Bereich um das Labium
(das Loch, an dem der Pfeifenton entsteht). Die Legierung (Mischungsverhältnis
von Zinn und Blei), die Bearbeitung und das Alter einer Pfeife beeinflussen den
Klang dagegen fast nicht. Es schwingt ja kein Material wie bei einer Geige,
sondern Luft, eine Art "Luftsaite", die auch Luftblatt genannt wird.
Je nachdem, wie dieses Luftblatt beschaffen ist, das um die Kante des
Oberlabiums schwingt, ändert sich die Tonqualität einer Pfeife. Im Laufe der Orgelbaugeschichte haben sich viele Intonationstechniken
entwickelt, durch die das Luftblatt in seiner Beschaffenheit verändert wird.
Von ca. 55 möglichen Parametern, die den Klang einer Pfeife beeinflussen
können, haben die Höhe des Aufschnitts (der Schlitz im "Gesicht" der
Pfeife), die Weite der Kernspalte (die Spalte, aus der die Luft ausströmt, die
die Pfeife zum Klingen bringt) und Kernstiche (das sind Kerben, die in Richtung
der Luftströmung in eine oder beide Kanten des Luftspaltes eingedrückt werden)
den größten Einfluss auf den Klang. Zur Orgel in Strietwald Bei der Orgel hier in Strietwald fällt der warme und weiche Klang auf. Er
ist die Folge einer sehr zeitaufwendigen Intonation (ca. 20 Minuten pro
Pfeife), bei der ausschließlich alte Intonationstechniken des 18.- und 19.
Jahrhunderts verwendet wurden. Seit etwa 25 Jahren werden in der Orgelszene die harmonischen und fein
differenzierten Klänge der romantischen Orgel wiederentdeckt. Die Orgelmusik
der Romantik wurde von der Orgelbewegung, eine vorwiegend aus Laien bestehende
Gruppierung, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts den barocken Orgelbau
favorisierte, als dekadent bezeichnet. Heute hat sie einen fast gleichberechtigten
Stellenwert neben der Barockliteratur gefunden. Es fehlen jedoch Orgeln, die
das weite Spektrum von barocken bis zu romantischen Klängen in einem Instrument
vereinigen. Wenn heute eine Orgel gebaut wird, erwartet man, dass möglichst die gesamte
Orgelmusik stilgerecht dargestellt werden kann. Dieser Wunsch kann aber nicht
erfüllt werden, denn die Anforderungen innerhalb der Länder, Regionen und
Musikepochen sind so unterschiedlich, dass sich bestimmte Konstellationen
gegenseitig ausschließen. Es ist aber möglich, verwandte Musikepochen und
-stile zu kombinieren. Dazu müssen die durch die Einwirkung der Orgelbewegung,
besonders im romantischen Bereich, verlorengegangenen „alten
Intonationstechniken“ neu erlernt werden. Jedes Register ist mit den typischen
Intonationsmitteln der jeweiligen Zeit oder einer fein ausbalancierten
Kombination daraus zu intonieren. Hierdurch entsteht eine reichhaltige
Klangfarbenpalette, die dem Organisten einen großen Gestaltungsspielraum gibt. Die Intonation der Orgel in Strietwald vereint die Epochen des deutschen
Spätbarocks (um 1750) und der französischen Romantik (um 1850) in einem
Instrument. Die Intonation der barocken Register des Hauptwerks ist mit einer
lebendigen Artikulation und einem großen Obertonreichtum versehen. Das
Schwellwerk orientiert sich mit seinen glatten und streichenden Klängen stärker
an romantischen Vorbildern ohne dabei Klarheit und Transparenz zu verlieren.
Die barock geprägten Register des Hauptwerks sind aber in der Intonation so
ausgewogen gestaltet, dass sie sich nahtlos in die zarten Schattierungen der
romantischen Klänge einfügen können. Sehr entscheidend für die gute
Klangverschmelzung bei den Grundstimmen und den singenden Klang sind
Stimmeinrichtungen, die als Expression bezeichnet werden. Dabei handelt es sich
um Stimmschlitze, die oft einen Pfeifendurchmesser unterhalb der Pfeifenmündung
eingeschnitten werden. Je nach Größe und Position filtern sie bestimmte
Obertöne und besonders Ansprachegeräusche aus dem Gesamtklang einer Pfeife heraus.
Zusätzlich verstärken sie die mittleren Obertöne und geben dem Ton dadurch mehr
Kraft, Farbe und einen besonderen Ausdruck (Expression). Diese Klangeigenschaft
ist besonders für die symphonische
Fähigkeit dieses Instrumentes wichtig. Symphonisch bedeutet bei einer Orgel
nicht, dass sie klingt wie ein Orchester sondern, dass sie in Lautstärke und
Fülle stufenlos zu- und abnehmen kann ohne dabei den Klangcharakter wesentlich
zu verändern. Diese dynamische Eigenschaft wird von dem weich reagierenden,
expressiven Windsystem noch verstärkt, das bei voller Belastung den Druck etwas
erhöht und damit den Klang nach vorne treibt. Zusammen mit der etwas
ungleichstufigen Temperatur (einer Stimmungsart, die den Tonarten eine
unterschiedliche Färbung gibt) wird damit bei nur 25 Registern mit 1486 Pfeifen
eine enorme Klangfülle und Vielseitigkeit erreicht. Ich wünsche der Gemeinde viel Freude am Farbenreichtum dieser Orgel. Reiner
Janke, Intonateur
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