Intonation, Reiner Janke

1) "Erstmals für die Musik verwendet, findet sich der Begriff in Musiktraktaten des späten 15. Jahrhunderts. Da er aus dem Lateinischen kommt, müssen wir ihn für uns übersetzten:

temperatura - gehörige Vermischung, Zubereitung, Beschaffenheit

temperatus - gemäßigt, gemildert, mäßig

temperatio - die rechte, zweckmäßige Einteilung

Es geht beim Temperieren um das "Mäßigen" und "rechte Einteilen" der Intervalle, da man erkannte, daß von den zum Musizieren nötigen Intervallen nur einige harmonisch rein gestimmt werden konnten, wenn man andere "temperierte", (sie "unrein" machte).

Temperatur bezeichnet also eine gewollte Verstimmung im "rechten Maß". Sie ist "zweckmäßig", da mit ihr ein bestimmtes Ziel verfolgt wird und so den jeweiligen musikalischen Anforderungen entsprochen wird. Da sich diese im Lauf der Jahrhunderte oft änderten, kennen wir heute eine Vielzahl von Möglichkeiten zu temperieren." (Zit. nach: Schütz, Hartmut, "Nothwendiger Unterricht in der musikalischen Temperatur", Kultur- und Forschungsstätte Michaelstein, Michaelstein/Blankenburg 1988, -Sonderbeitrag- Heft 3, S. 14)

Um Irrtümer zu vermeiden, ist es, abgesehen von der "wohltemperierten Stimmung" und der "reinen Stimmung", immer besser, von einer "Temperatur" zu sprechen. Zurück zum Haupttext

2) Einer Verstimmung von einem Hertz entsprechen bei C 8' etwa 26 Cent, bei c''' 2' nur 0,4 Cent. Zurück zum Haupttext

3) Werden, mit C beginnend, auf dem Klavier 12 Quinten aufwärts durchschritten, so wird wieder der Ton C erreicht. Sind die Quinten alle rein gestimmt, so ist das dadurch gefundene C, das in einem offenen Tonsystem "His" hieße, um etwa einen viertel Halbton gegenüber dem Ausgangston zu hoch. Diese Differenz nennt man pythagoräisches Komma. Es muß innerhalb unseres Tonsystems verteilt werden, um das His zum C zu machen und so den Zirkel zu schließen. Damit ist aus dem unendlichen System reiner Quinten, das man am besten in Form einer Spirale darstellen könnte, das geschlossene System des Quintenzirkels geworden. Zurück zum Haupttext

4) Vergl. auch: Schütz, Hartmut, a.a.O. Heft 3, S. 66, Eggebrecht, Hans Heinrich, Musik im Abendland, Piper, München 1991, S. 18 ff., und Ratte, Franz Josef, Die Temperatur der Clavierinstrumente, herausgegeben von Winfried Schlepphorst, Bärenreiter-Verlag, Kassel 1991, S. 23 ff. Zurück zum Haupttext

5) Neben der pythagoräischen Stimmung war auch die natürlich-harmonische Stimmung verbreitet. Hierbei werden alle Töne durch das Stimmen in reinen Quinten und Terzen ermittelt. Bei dieser Stimmung ergibt sich ein großer und ein kleiner Ganzton. Dieser Unterschied wurde erst bei der mitteltönigen Temperatur aufgehoben. Bei ihr liegt der Ganztonschritt genau in der Mitte zwischen dem großen und dem kleinen Ganzton. Daher der Name mitteltönig. (Vergl. auch: Schütz, Hartmut, a.a.O. Heft 3, S. 90, und Ratte, Franz Josef, a.a.O. S. 407 ff.) Zurück zum Haupttext

6) Aus diesem Grund eignen sich mitteltönige Temperaturen ganz besonders für die Orgel, denn die reinen Terzen der Intervalle decken sich mit der reinen Terz im Oberton der Pfeifen oder dem Grundton der Terzregister. Dies ist einer der Gründe warum sich große Meister wie Gottfried Silbermann lange Zeit geweigert haben, ihre Orgeln nicht mehr mitteltönig zu temperieren. Es kam der Preisgabe einer, wenn auch begrenzten, aber doch heilen Welt gleich. Es ist deshalb sehr interessant, die z.T. sehr polemischen Traktate aus der Zeit des Umbruchs Anfang des 18. Jahrhunderts über die "richtige" Temperatur nachzulesen. (Vergl. auch: Schütz, Hartmut, a.a.O. Heft 3, S. 143 ff., und Werkmeister, Andreas, Musicalische Temperatur, Utrecht The Diapason Press 1983, Faksimile, S. 80 ff.) Zurück zum Haupttext

7) Deshalb hat es Versuche gegeben, doppelte Obertasten zu bauen. Diese Erweiterung hat sich bei den Tasteninstrumenten jedoch nie durchsetzen können. (Vergl. Ratte, Franz Josef, a.a.O. S. 357 ff.) Zurück zum Haupttext

8) Bei rein gestimmten Terzen entstehen sogenannte Kombinationstöne, die der Hörer vermeintlich zu hören glaubt. Sie geben dem Klang sehr viel Kraft und Fülle. Ein rein gestimmter C-Dur Akkord c°, c', g', c'', e'' der Oktave 4' klingt fast fanfarenartig, weil er der Zusammenstellung eines Cornettones auf c° entspricht. Hält man nur die Terz c'',e'' an, so erhält man als Kombinationston c°. Die Stärke dieses Kombinationstones hängt ganz wesentlich von der Klangfarbe ab. Ein grundtöniger Ton erzeugt diesen Effekt sehr viel stärker als ein obertöniger. (Vergl. auch: Wegscheider, Kristian / Schütz, Hartmut, Orgeltemperatur - ein Beitrag zum Problem der Rekonstruktion historischer Stimmungsarten bei Orgelrestaurierungen, Michaelstein/Blankenburg 1988, -Sonderbeitrag- Heft 5, S. 6ff.) Zurück zum Haupttext

9) Es ist besser, sie gleichstufig als gleichschwebend zu nennen. Jeder Halbtonschritt hat das gleiche Verhältnis zum nächsten Ton bzw. ist um die gleiche Stufe vom anderen Ton entfernt. Die Schwebungen der Intervalle werden aber mit zunehmender Tonhöhe schneller. Zurück zum Haupttext

10) " Bekannt war die Möglichkeit, alle zwölf Quinten gleich zu temperieren und so alle 24 Tonarten gleich verwenden zu können bereits seit dem 15. Jahrhundert. Johannes Kepler und viele bedeutende Mathematiker haben sie im Laufe der Zeit mit immer größerer Genauigkeit berechnet. Diskutiert haben die Musiker und Theoretiker dieses Thema durch alle Jahrhunderte, aber keiner vermochte das theoretisch klare Ergebnis in die Praxis umzusetzen. Als es schließlich gelang, war das Klangergebnis für die meisten Musiker zu unbefriedigend und man lehnte die gleichstufige Temperatur ab, wie es z.B. Dom Bedos beschreibt." (Zit. nach: Schütz, Hartmut, a.a.O. Heft 3, S. 52) Zurück zum Haupttext

11) In den linken Spalten des Diagramms ist die jeweilige Temperatur in chromatischer Reihenfolge eingetragen. Zum Denken und Rechnen ist es einfacher, C als Null-und Bezugspunkt zu wählen. Zum Stimmen ist es jedoch notwendig, entsprechend umgerechnete Werte mit A als Ausgangspunkt zu nehmen. Zurück zum Haupttext

12) Eine gleichstufige Temperatur würde im Diagramm als gestrichelte Linie bei 2 Cent, dicke schwarze Linie bei 14 Cent und gepunktete Linie bei 16 Cent dargestellt. Zurück zum Haupttext

13) Mit den gerundeten Werten von Quinte und Terzen werden die Werte der linken Spalte für das Diagramm umgerechnet. Sie sind deshalb unten links noch einmal aufgeführt.

Bei der Umrechnung ergeben sich nur für die große Terz positive Zahlen. Um die Darstellung im Diagramm übersichtlicher zu gestalten, werden die Werte für die übrigen Intervalle jedoch invers dargestellt.

Beim Verfasser ist ein einfaches Basicprogramm zum Diagramm erhältlich. Zurück zum Haupttext

14) Unter den Tonartenbezeichnungen sind noch einmal die Centwerte eingetragen, weil sich viele Temperaturen in Quintschritten besser verfolgen oder aus Schwebungsangaben umrechnen lassen. Zurück zum Haupttext

15) Je weiter ein Intervall vom Verhältnis 1:1 entfernt ist, um so weniger nimmt unser Ohr Verstimmungen wahr. Daher wird eine verstimmte große Terz (Verhältnis 5:4) eher von unserem Ohr "verkraftet", als eine verstimmte Oktave (Verhältnis 2:1).

Wird eine Oktave gestimmt, so ist der zweite Teilton des tieferen Tones (der bei den meisten offenen Pfeifen die gleiche Amplitude hat wie der Grundton) mit dem Grundton des höheren Oktavtones identisch. Bei einer Verstimmung bildet sich eine Interferenzerscheinung aus. Diesen Vorgang nehmen wir als Schwebung wahr. Sie ist wegen der hohen Amplituden der beiden Töne sehr gut hörbar.

Wird eine große Terz gestimmt, so ist erst der fünfte Teilton des tieferen Tones, der eine wesentlich kleinere Amplitude hat, mit dem vierten Teilton des höheren Tones identisch. Eine Schwebung wird daher nur sehr schwach wahrgenommen. Aus diesem Grunde wird eine verstimmte Terz nicht so stark wahrgenommen wie eine gleichschnell schwebende Quinte oder Oktave. Bei der Orgel wirkt sich dieses Phänomen je nach Registrierung unterschiedlich aus. Eine schnellschwebende große Terz stört bei dunklen Flöten wegen der schwachen Obertöne längst nicht so sehr wie im strahlenden Tutti. (Vergl. auch: Wegscheider, Kristian / Schütz, Hartmut, a.a.O., Heft 5, S. 6ff.) Zurück zum Haupttext

16) Wird der Ton C eines Mixturtones gespielt, so erklingt gleichzeitig ein G aus dem Quintchor der Mixtur. Diese Quinte ist natürlich innerhalb des Tones rein gestimmt. Spielt man dazu nun als Quintintervall den Ton G, so erklingen in einer Mixtur mindestens zwei gleiche Pfeifen. Wenn aber das Quintintervall G zum C temperiert, d. h. verstimmt ist, ergibt sich eine Verstimmung, weil der temperierte Ton G mit dem G aus dem Quintchor des Tones C nicht übereinstimmt. Dieses Phänomen gibt einer Mixtur im Spiel immer etwas Unruhiges und Schwirrendes. Zurück zum Haupttext

17) Werden nacheinander die großen Terzen C-E, E-Gs, Gs-C rein gestimmt, so ist das obere "C" etwa 42 Cent tiefer als die Oktave. Diese Differenz nennt man kleine Diësis. Sie muß innerhalb der drei großen Terzen verteilt werden. Weil bei Kirnberger III die große Terz von C-Dur rein ist, müssen die 42 Cent auf die entsprechenden Terzen von E- und As-Dur verteilt werden. Bei E-Dur sind es 20 Cent und bei As-Dur 22 Cent. (Geringfügige Abweichungen von den mathematisch exakten Centwerten ergeben sich aus den gerundeten Werten der einzelnen Intervalle. Für die Stimmpraxis ist dies jedoch unerheblich.) Zurück zum Haupttext

18) Stimmt man nacheinander die Quinten C-G, G-D, D-A, A-E rein, so ist das obere "E" etwa 22 Cent höher als zwei Oktaven plus eine reine Terz. Diese Differenz nennt man syntonisches oder didymisches Komma. Es muß innerhalb der vier Quinten verteilt werden. Bei Kirnberger III sind dies 5,5 Cent (¼ syntonisches Komma) bei jeder der vier Quinten. Zurück zum Haupttext

19) Die Differenz zwischen dem pythagoräischen Komma (24 Cent) und dem syntonischen Komma ( 22 Cent) nennt man Schisma. Bei Kirnberger III fällt das Schisma auf die Quinte Fs-Cs.

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