Intonation, Reiner Janke

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Auszug aus dem Artikel über die Restaurierung der Orgel in Schönenbach, restauriert von Freiburger Orgelbau Hartwig Späth 1993, II/18. Wird in Ars Organi veröffentlicht.

Erfahrungen des Intonateurs mit dem historischen Pfeifenmaterial der Link Orgel

Von Reiner Janke, March (bei Freiburg i. Br.)

Das Pfeifenwerk und seine Besonderheiten

Das Pfeifenwerk der Schönenbacher Orgel ist in seiner Substanz gut erhalten. Auffällig ist der große Anteil Holzpfeifen, von denen die offenen auf Ton geschnitten und mit Stimmblechen versehen sind. Es ist nur vereinzelt bei der Wienerflöte 8', die nicht von Link stammt, Wurmbefall zu erkennen.

Die Mensuren der Holzpfeifen sind sehr abwechslungsreich gestaltet. Die Prinzipalflöte 8' hat z.B. einen stark rechteckigen Querschnitt. Die Wienerflöte ist sehr eng und mit Fröschen versehen. Die Traversflöte ist ab c1 rund, konisch, ebenfalls mit Fröschen versehen und aus zwei Halbschalen zusammengesetzt.

Die Metallpfeifen haben überwiegend Expressionen und durchschnittlich 7-15 Kernstiche. Teilweise sind die Aufschnitte gewölbt. Sitz und Größe der Expressionen sind in jeder Registergruppe verschieden. Alle Prinzipale haben sehr breite Expressionen, und die Länge des Ringes oberhalb der Expression ist kürzer als ein halber Durchmesser. Beim Salizional 8' sind die Expressionen dagegen sehr schmal, und der Ring ist länger als 1 1/3 Durchmesser. Die Rezeptur der Intonationsmittel für diesen romantischen Prinzipalchor ist ausgezeichnet. Größe und Sitz der Expressionen, Aufschnitthöhe und Anzahl der schlanken Kernstiche sind so gut aufeinander abgestimmt, daß die Pfeifen noch ganz natürlich sprechen und einen kultivierten, schönen Prinzipalklang (ohne zu starken hornartig romantischen Klangcharakter) geben.

Vor der Restaurierung waren die Fußlöcher der Metallpfeifen stark verändert und beschädigt. Viele Kernspalten müssen im Laufe der Zeit unsachgemäß behandelt worden sein, denn sie waren in ihrer Weite sehr ungleichmäßig und die Kanten sind durch grobe Werkzeuge verletzt worden. Die kleinen Diskantpfeifen wiesen starke Verformungen auf, waren eingeknickt und die Intonation damit zerstört. Ca. 15% des Metallpfeifenwerks blieb jedoch nahezu unverändert erhalten und konnte bei der Rekonstruktion der Intonation als Vorbild dienen.

Intonation

Bei der Vorintonation wurden die Metallpfeifen sehr sorgfältig in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Die Kanten der Kernspalten mußten teilweise in einem sehr aufwendigen Verfahren abgehobelt und entgratet werden, um die Verletzungen daran zu beseitigen. Anhand der gut erhaltenen Pfeifen war aber eine genaue Rekonstruktion der Intonation möglich. Dabei wurden nur Intonationstechniken und Werkzeuge angewendet, die auch der Erbauer benutzt hat (kein Aufrauhen der Kerne durch Feilen o.ä.).

Der vorläufige Winddruck zur Vorintonation in der Werkstatt wurde anhand möglichst unverändert erhaltener Pfeifen aus den Registern Wienerflöte 8', Traversflöte 4' und Gedeckt 8' ermittelt. Diese Register sind wegen ihrer Sensibilität besonders gut dazu geeignet. Bei zu geringem Winddruck klingen sie zu hauchig und matt, bei zu hohem sprechen sie nicht mehr schnell genug an oder klingen zu angestrengt. Der endgültige Winddruck wurde nach ausgiebigen Hörproben in der Kirche festgelegt.

Da die meisten Fußlöcher der Metallpfeifen verändert oder schadhaft waren, wurde nach dem Einstellen der Ansprache und Klangfarbe der Lautstärkeverlauf neu festgelegt. Wegen der guten und klaren Akustik in der Kirche ist keines der Register forciert intoniert. Im Gegensatz zu den Flöten, die alle einen deutlichen Diskantanstieg haben, ist der Lautstärkeverlauf der Prinzipale und der Mixtur geradlinig. So sind auch komplexe polyphone Strukturen im vollen Werk durchhörbar.

Romantisch intonierte Register verlangen wegen ihrer zarteren Obertöne sehr viel Geduld beim Ausgleichen. Auch wenn das Fußloch nur wenig geöffnet wird, kann ein Ton schnell unangenehm herausfallen. Die feinen Stimmen des II. Manuals erfordern es, die Verläufe und Proportionen sehr behutsam auszubalancieren. Das Klangbild des vollen Werkes ist aber trotz der romantischen Intonation erstaunlich klar, farbig und von großer Kraft.

Klangverschmelzung

Bei dieser Orgel fällt die enorme Mischfähigkeit und Verschmelzung der Register auf. Es liegt nahe, diese Eigenschaften der hier verwendeten Kegellade zuzuschreiben, wie es in der Literatur oft erwähnt wird. Eine "Verschmelzung" dieser Art ist aber, wie auch neuere Untersuchungen belegen, physikalisch nicht möglich. Zudem ist das Argument der Klangverschmelzung über die Kanzelle auch musikalisch unschlüssig, denn für die romantische Orgelmusik ist ja in erster Linie eine Verschmelzung der verschiedenen Register und nicht des Akkordes notwendig.

Einen wesentlichen Anteil an dem homogenen Klangbild der Link Orgel hat, außer der sehr abwechslungsreichen Mensuration, der geschickte Einsatz der Expressionen. Je nach Größe und Position filtern sie bestimmte Obertöne und besonders Ansprachegeräusche aus dem Gesamtklang einer Pfeife heraus. Zusätzlich verstärken sie die mittleren Obertöne und geben dem Ton dadurch Kraft und einen besonderen Ausdruck (Expression). Der Orgelbauer Link hat die Expressionen ganz gezielt zur Klanggestaltung eingesetzt. Die breiten Expressionen und der schmale Ring geben dem Prinzipalchor die nötige Klarheit, dämpfen aber gleichzeitig schon harte Ansprachegeräusche und unharmonische Obertöne. Das Salizional dagegen erhält durch die schmalen Expressionen einen feinen Strich, der durch den breiten Ring jedoch so stark gedämpft wird, daß es sich hervorragend mit den zarten Flötenstimmen mischt. Die Expression ist darum ein typisches und wichtiges Intonationsmittel für romantische Orgelmusik, um ein Höchstmaß an Klangverschmelzung zu erreichen.

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