Intonation, Reiner Janke

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Manuskipt und Unterlagen des Referates über Intonation für die Studenten der Musikhochschule Freiburg

Themenübersicht

1. Begrüßung

   Vorstellung
   Selbstverständnis des Intonateurs

2. Erläuterung der Funktionsweise einer Labialpfeife mit praktischen    Demonstrationen

   Funktionsprinzip des Resonators und Schneidentones
   Bestimmung der Tonhöhe des Resonators und des Schneidentones
   Bestimmen der Tonhöhe der klingenden Pfeife

3. Beschreibung der zehn wichtigsten Klangparameter mit praktischen Beispielen

   Bauform
   Aufschnitthöhe
   Mensur
   Kernspaltenoberfläche
   Stimmeinrichtung
   Kernspaltenweite
   Arbeitspunkt
   Pfeifenoberfläche innen
   Oberlabiumdicke
   Metallelastizität

4. Praktische Demonstration einzelner Intonationsschritte an Labialpfeifen

 Veränderung von:
   Fußloch
   Kernspaltenweite
   Kernlage
   Oberlabiumstellung
   Aufschnitthöhe
   Stimmeinrichtung

5. Funktionsweise und Demonstration einzelner Intonationsschritte an    Zungenpfeifen

   Bourdonpunkt
   Becherlänge
   Zungenaufwurf

6. Anleitung zur Behebung von einfachen Störungen an Labial- und Zungenpfeifen

7. Fragen und Anregungen

 

 

Die zehn wichtigsten Klangparameter einer Pfeife

(in Reihenfolge des Anteils am Gesamtklangbild)

 

1. Bauform

    gedeckt, rohrgedeckt, spitzgedeckt, offene Flöte, Prinzipal, Streicher, konisch, trichterförmig

2. Aufschnitthöhe

    Absolute Aufschnitthöhe in Bezug zur Tonhöhe

3. Mensur

    Durchmesser, Labierung, Röhrchenproportionen, unterer zu oberer Durchmesser

4. Kernspaltenoberfläche

    Kernstiche, Aufrauhungen der Kernspalte

5. Stimmeinrichtung

    auf Ton geschnitten, Stimmschlitz, Expression

6. Kernspaltenweite

    enge oder weite Spalte

7. Arbeitspunkt

    Oberlabiumstellung, Kernlage

8. Pfeifenoberfläche innen

    Metall gehobelt oder Tuchseite, Holzart

9. Oberlabiumdicke

    spitz oder dick

10. Metallelastizität

    dünnwandig oder dickwandig in Relation zur Metallhärte

 

 

Die häufigsten Störungen an Labialpfeifen

(Symptome und Abhilfen)

 

Der Ton springt beim Anschlagen kurz in die Oktave

    Das Oberlabium steht zu weit vor und sollte vorsichtig hinein gedrückt werden.

Der Ton spricht verzögert und mager an

    Das Oberlabium ist zu weit hineingedrückt und sollte mit einem kleinen Spachtel vorsichtig herausgeholt werden.

Der Ton ist zu laut und kratzig

    Die Kernspalte ist zu weit und sollte vorsichtig mit dem Daumen enger gedrückt werden.

Der Ton klingt zu matt und leise

    Die Kernspalte ist zu eng oder mit Dreck verstopft. Sie sollte mit einer Zahnbürste sauber geputzt oder mit einem angespitzten Streichholz etwas aufgedrückt werden.

 

 

Die häufigsten Störungen an Zungenpfeifen

(Symptome und Abhilfen)

 

Der Ton klirrt stark, spricht sehr langsam an oder geht gar nicht

    Es ist Dreck zwischen Zungenblatt und Kehle geraten. Er sollte mit einem Papierstreifen vorsichtig entfernt werden.

Der Ton kippt beim Anschlagen oder bei kalter Witterung in einen höheren Ton um

    Der Becher ist zu lang. Der Stimmschlitz sollte etwas geöffnet werden. Falls kein Stimmschlitz vorhanden ist, sollte der Ton etwas tiefer als rein gestimmt bleiben.

 

 

Anmerkungen zur Intonation

Intonationsstile

In der Orgelbaugeschichte kommen schwerpunktmäßig drei Intonationsarten vor.

a) Barocke Intonation
Hierbei wird angestrebt, die Pfeife frei und natürlich sprechen zu lassen. Um kompositorische Figuren klar darstellen zu können, ist die Ansprache bzw. Artikulation der Pfeife deutlich, lebendig und schnell. Man sucht den Punkt der größtmöglichen Resonanz. Jeder Ton behält sein Eigenleben, ohne die Charakteristik des Registers zu verlassen. Intonationshilfen wie Kernstiche oder Bärte werden nur in begrenztem Umfang eingesetzt, um die Ansprache zu verbessern und Nebengeräusche zu reduzieren. Dadurch bleibt der Obertonreichtum der Pfeife erhalten.

b) Romantische Intonation
Sie ist eine Fortentwicklung der barocken Intonation. Ziel ist es, der Pfeife einen statischen, kräftigen, künstlich gestalteten Ton zu geben, um homogene und nuanciert abgestufte Register zu erhalten, mit denen man große kompositorische Linien und Klangflächen darstellen kann. Intonationshilfen werden in erheblichem Umfang, jedoch sehr differenziert, zur Tongestaltung eingesetzt. Dadurch ist die Ansprache der Pfeife nicht mehr so deutlich und artikuliert, ihr Obertonreichtum nimmt ab, und die Klangcharakteristik der einzelnen Register wirkt sehr homogen.

c) Neobarocke Intonation
Diese Intonationsweise ist aus der sogenannten "Orgelbewegung" hervorgegangen. Dabei wird ein obertonreicher und scharfer Ton mit nur wenigen oder gar keinen Intonationshilfen, wie z.B den Kernstichen, angestrebt, um ein durchsichtiges Klangbild für polyphone Musik zu erhalten. Da andere Intonationsmittel als in der Barockzeit eingesetzt werden, ist die Ansprache oder Artikulation der Pfeifen undeutlich und mit starker Obertonentwicklung verbunden. Auch wird nicht der Punkt der größtmöglichen Resonanz erreicht. Ebenso verhindern diese Intonationsmittel eine Klangverschmelzung der verschiedenartigen Registergruppen, wie es für die Klänge romantischer Musik nötig ist.

Intonationsmittel

Um den Klang einer Pfeife zu beeinflussen, gibt es neben den verschiedenen Bauformen eine Fülle von Möglichkeiten, die man als Intonationsmittel bezeichnen kann. Dazu gehören: Expressionen, Stimmschlitze, Bärte, Aufschnitthöhen, Kernspaltenweite und deren Beschaffenheit, Kernfase und Gegenfase, Form und Stellung von Ober-und Unterlabium, Form und Anzahl von Kernstichen und die Größe des Fußloches.

Die Legierung und Bearbeitung der Metallpfeifen wirkt sich weitaus weniger auf den Klang aus, als allgemein angenommen wird. Auch das Alter einer Pfeife hat keinen Einfluß auf ihren Klang. Wenn alte Pfeifen schöner klingen als neue, so liegt das an ihrer Intonation.

Die Intonationsmittel haben sich im Laufe der Orgelbaugeschichte über Jahrhunderte weiterentwickelt und finden in ihrer Vielfalt und dem differenzierten Gebrauch einen Höhepunkt zur Zeit der Romantik. Da die "Orgelbewegung" sich von dieser Zeit und ihrem Klangideal abwandte und der Orgelbau durch den II. Weltkrieg unterbrochen wurde, gingen die Erfahrungen einer langen Tradition verloren. Die neuentstandenen Intonationsmittel haben in entscheidenden Bereichen (Gebrauch der Kernspalte zur Intonation, Mittel zur "künstlichen Alterung" der Pfeifen und dem zaghaften Einsatz von Kernstichen) keine Gemeinsamkeit mit der alten Tradition.

Um die "alten Intonationstechniken" wieder zu erlernen, ist es nötig, autentische alte Peifen, Mensuren und Aufschnittverhältnisse zu studieren und analysieren. Nur so ist es möglich, die Epoche und Intonationsweise alter Meister zu verstehen und in die eigene Arbeit einfließen zu lassen. Aus dieser Erfahrung heraus kann man dann auch neue Orgeln stilgerecht intonieren.

Klangverschmelzung

Eine Klangverschmelzung über die Kanzelle, wie in der Literatur behauptet, gibt es weder bei der Tonkanzelle noch bei der Registerkanzelle. In Ausnahmefällen können sich stehende Wellen in der Kanzelle ausbilden. Sie erzeugen aber nur zufällige und eher nachteilige Effekte. Die Klangverschmelzung wird fast ausschließlich durch die richtige Intonation erzielt. Dazu ist es nötig, drei Anforderungen zu verwirklichen:

1. Der Grundton und die nachfolgenden fünf Teiltöne sollten stark ausgebildet werden. (Niedrige Aufschnitte und enge Kernspalten verhindern dieses)

2. Hohe Obertöne (ab dem achten Teilton) und unharmonische Klangkomponenten sollten vermieden werden. (Unharmonische Obertöne sind ein Nebeneffekt sogenannter kernstichloser Intonation mit gefeilten Kernspalten)

3. Ansprachegeräusche, wie Spucken und zischende Vorläufertöne, müssen minimiert werden.

Mit den klassischen Intonationsmitteln (Kernstiche, Veränderung des Fußlochs, der Kernspaltenweite und der Aufschnitthöhe) kann für romantische Orgelmusik keine befriedigende Balance zwischen diesen Anforderungen und einem homogenen und kräftigen Klang gefunden werden.

Wird ein Ton mit hohem Aufschnitt, starken Kernstichen und weiter Kernspalte zu grundtönig intoniert, verliert er an Kraft und klingt stumpf. Wird er ohne Kernstiche, mit niedrigerem Aufschnitt und verengter Kernspalte intoniert, verhindern die Vorläufertöne und die hochfrequenten Klanganteile, daß sich ein eng verzahnter, harmonischer Obertonaufbau (ähnlich der Narturtonreihe auf 8' Basis) und ein homogenes Klangbild ergibt.

Hohe und unharmonische Klanganteile verhindern eine gute Klangverschmelzung. Harte und helle Ansprachegeräusche zerhacken große musikalische Linien. Hingegen nehmen zu schwach ausgebildete Obertöne im mittleren Bereich dem Klang Kraft und Farbe.

Expressionen sind daher ein bewährtes Intonationsmittel, um die Balance zwischen Klangkraft und Verschmelzung zu steuern. Sie wirken wie Klangfilter. Je nach Größe und Position filtern sie bestimmte Obertöne und Ansprachegeräusche aus dem Gesamtklang einer Pfeife heraus. Die mittleren Obertöne treten dadurch sogar stärker hervor und geben dem Ton einen besonderen Ausdruck (Expression). Darum ist die Expression ein typisches und wichtiges Intonationsmittel für romantische Orgelmusik, um ein Höchstmaß an Klangverschmelzung zu erreichen.

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